Prozessdatenanalyse und Prognose von Durchlaufzeiten in Logistik und Produktion

Lieferverzögerungen frühzeitig erkennen

© MEV-Verlag, Germany

Eng getaktete Lieferketten erweisen sich im Störungsfall oft als fragil. Lieferverzögerungen der Zulieferprodukte erzeugen im schlimmsten Fall Bandstillstände in der Produktion. Sendungen, die Gefahr laufen nicht rechtzeitig geliefert zu werden, sollten deshalb möglichst früh im Prozess identifiziert werden. Manuelles Tracking von hunderttausenden von Sendungen täglich ist allerdings nicht möglich. Deshalb entwickeln die Fraunhofer-Experten eine Software, mit der sich jede einzelne Sendung automatisiert mithilfe von Event-Logs (bspw. Scannungen) tracken lässt und die live die jeweilige verbleibende Durchlaufzeit prognostiziert. So können riskante Sendungen bereits früh im Prozess erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

 

Durchlaufzeitprognose mithilfe Bayes’scher Netze

Die Durchlaufzeit von Einheiten in Prozessen ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Insbesondere für Prozesse, die nicht am Fließband ablaufen, ist sie für einzelne Einheiten nicht trivial berechenbar. Gleichzeitig sind über einzelne Prozesse in unterschiedlichen Organisationseinheiten schon heute viele beschreibende Daten vorhanden: Regelmäßige Scannungen geben zum Beispiel Aufschluss über den aktuellen Prozessschritt und aus Auftragsdaten lässt sich der assoziierte Arbeitsaufwand berechnen. Darüber hinaus sind häufig Daten über Größen vorhanden, die auf den Prozess wirken, wie beispielsweise das verfügbare Personal oder der aktuelle Auftragsbacklog.

Um all diese – teilweise unternehmensindividuellen – Faktoren zu berücksichtigen, verwenden die Forscher einen Machine Learning Algorithmus: Bayes’sche Netze. Die Struktur dieser Netze kann an den jeweiligen spezifischen Prozess angepasst werden. So lässt sich domänenspezifisches Wissen, wie beispielsweise Kausalitäten zwischen den Einflussgrößen, explizit modellieren. Die konkrete quantitative Ausprägung dieser Wirkzusammenhänge lernt das Verfahren dann aus vergangenen Sendungsdaten. Wenn beispielsweise ein höherer Auftragsbacklog zu einer höheren Durchlaufzeit führt, kann das Bayes’sche Netz diesen exakten Zusammenhang aus vergangenen Prozessdurchläufen lernen. Wenn das komplexe Zusammenspiel dieser verschiedenen Faktoren also tatsächlich dazu führen sollte, dass sich die Durchlaufzeit verlängert, sodass der gewünschte Liefertermin nicht gehalten werden kann, wird die neu entwickelte PRODAB Software künftig rechtzeitig eine entsprechende Warnung ausgeben.

Definition und Analyse von Use Cases in Produktion und Logistik

Im Projekt werden zwei verschiedene Use-Cases betrachtet: Die Kommissionierung bei einem Maschinenbauunternehmen und der Umschlagsprozess bei einem Transportlogistikunternehmen. Für jeden der Use-Cases haben die Forscher spezifische Bayes’sche Netze entwickelt. Parallel entwickelt das Team eine Software mit der diese Bayes’schen Netze in die Unternehmens-IT-Infrastruktur eingebunden werden. Aktuell sucht das Forscherteam weitere Pilotierungspartner, um das Verfahren und die entwickelte Software weiter zu validieren.

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