HerzKISO – Herzsichere Städte durch KI-basierte Standortoptimierung von Defibrillatoren

HerzKISO
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Innerhalb der EU sterben jährlich beinahe eine halbe Millionen Menschen an plötzlichem Herztod. Der schnelle und gezielte Einsatz von AED (Automatische Externe Defibrillatoren) ist ein effektives Mittel, um die Überlebenschancen deutlich zu erhöhen. Aus diesem Grund sind eine flächendeckende Verbreitung, einfache Auffindbarkeit und öffentliche Zugänglichkeit von Defibrillatoren essenziell.

Vor diesem Hintergrund entwickelt das Forschungsprojekt »HerzKISO« ein neuartiges, gebietsübertragbares Planungskonzept: Imputationsmethoden schaffen basierend auf öffentlich zugänglichen Quellen die Datengrundlage, auf welcher durch mathematische Optimierung die optimalen Standorte von AEDs bestimmt werden. Ziel ist es, eine faire und flächendeckende Verfügbarkeit von Defibrillatoren sicherzustellen, um möglichst vielen Bürgern Zugang zu einem lebensrettenden Gerät zu ermöglichen und so die technische Basis zu schaffen, um deutsche Städte herzsicher zu machen.

Flächendeckende Verfügbarkeit von Defibrillatoren sicherstellen

Der plötzliche Herztod hat eine Todesrate von circa 90%. Schnelle Hilfe in den ersten Minuten und insbesondere der AED-Einsatz durch Ersthelfende trägt wesentlich zur Lebensrettung bei. Hierfür ist es jedoch zentral, dass eine Notrufkontaktperson einen Ersthelfenden zu einem funktionstüchtigen AED in kurzer Reichweite vom Notfallort leiten kann. Aktuell ist die Anzahl der aufgestellten AEDs in vielen Gebieten jedoch zu gering, um eine flächendeckende Verfügbarkeit von AEDs sicherzustellen. Daher wird im Rahmen des Forschungsprojekt HerzKISO ein neuartiges Verfahren zur optimierten Standortplanung von AEDs entwickelt, um einerseits zu ermitteln, wie viele AEDs im Stadtgebiet bzw. im Gebiet der Gemeinde insgesamt benötigt werden, um eine geeignete Abdeckung zu erzielen und andererseits deren optimale Standorte zu bestimmen, sodass sichergestellt wird, dass diese öffentlich zugänglich, ohne Vorwissen auffindbar, möglichst fair und gleichverteilt sind.

Schematische Darstellung der Abdeckung durch AEDs
© CardiLink
Schematische Darstellung der Abdeckung durch AEDs

Vom Ist-Zustand zum optimalen Szenario

Die Standorte bisher aufgestellter AEDs werden bestimmt und hinsichtlich deren Verfügbarkeit und Erreichbarkeit analysiert. Darauf basierend kann mit soziodemographischen Daten und Gebietsclusterungen genauer eingegrenzt werden, in welchen Bereichen bisher noch kein AED in der Nähe vorhanden ist. Darüber hinaus werden potenzielle Aufstellorte für Defibrillatoren unter verschiedensten Standortfaktoren wie Sichtbarkeit oder Wartbarkeit identifiziert. Hierbei ist einerseits auf erfahrungsgemäß bewährte Standorte wie bspw. Apotheken oder Bushaltestellen zu setzen. Unter Umständen müssen jedoch ergänzende Standorte für AEDs identifiziert werden, um eine flächendeckende Abdeckung sicherstellen zu können.

Die hierfür notwendigen Daten, wie beispielsweise Standorte bereits platzierter AEDs oder Points of Interest (z.B. Apotheken oder Bushaltestellen) als potenzielle Standorte für neu platzierte AEDs sind häufig nicht frei verfügbar oder unvollständig. Hierbei können Methoden der Datenimputation Abhilfe schaffen, welche die fehlenden Daten aus öffentlich zugänglichen Datenquellen, wie beispielsweise OpenStreetMaps, herleiten. Allerdings müssen auch diese Daten zunächst auf ihre Qualität geprüft und fehlende oder inkorrekte Daten durch ein passendes Vorgehen ersetzt werden. Eine Herausforderung besteht somit darin, durch Entwicklung und Anwendung geeigneter Imputationsmethoden eine vollständige, zeitlich und räumlich genaue Datengrundlage zu schaffen. Je nach Qualität der verfügbaren Daten kann diese Imputation von simplen, klassischen Methoden bis hin zu komplexen, deep-learning basierten Bildklassifizierungsalgorithmen reichen. Für einen größtenteils vollständigen Datensatz kann es beispielsweise ausreichen, fehlende Standortdaten durch ihren statistischen Mittelwert zu ersetzen. Ein unvollständigerer Datensatz hingegen erfordert, die fehlenden Standortdaten mithilfe komplexer Algorithmen aus Rohdaten wie etwa Bildern zu schätzen.

Mit Hilfe von Methoden der mathematischen Optimierung wird anschließend eine Empfehlung für eine möglichst geringe Anzahl an optimal zu platzierenden AEDs generiert, die eine diskriminierungsfreie, flächendeckende Verfügbarkeit der Defibrillatoren mathematisch fundiert gewährleistet. Die Integration von Daten zum Zustand der Defibrillatoren garantiert, dass diese im Notfall auch einsatzbereit sind.

Flächendeckende Versorgung der Stadt Fürth anschaulich präsentiert

Das Projektergebnis ist ein interaktiver Demonstrator zur optimalen Standortplatzierung von AEDs am Beispiel der Stadt Fürth. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Stakeholdern im Bereich der Gesundheitssicherung der Stadt Fürth werden relevante Standortfaktoren aus unterschiedlichen Gesichtspunkten berücksichtigt. 

Zugleich wird jedoch ein besonderes Augenmerk auf die Gebietsübertragbarkeit gelegt, um sicherzustellen, dass die Methodik auch in anderen Städten angewendet werden kann.

Der Projektpartner CardiLink plant die Verbreitung der entwickelten Optimierungs- und Imputationsverfahren, sowohl auf Europa-Ebene als auch in den USA oder auf ausgewählten Märkten Asiens. Hierdurch können Hürden für Projekte zu herzsicheren Städten gesenkt und die zunehmende Verbreitung von überwachten AEDs sichergestellt werden.

Positive Rückmeldungen und Datenfluss im Projekt

Es ist Halbzeit im Forschungsprojekt HerzKISO und das Projektteam ist überwältigt von dem positiven Feedback. Laut Lars Wassermann, CEO von CardiLink, »unterstützen Organisationen aus aller Welt das Projekt aktiv mit wichtigen Daten zur mathematischen Optimierung der AED-Standorte im öffentlichen Raum. Vor allem historische Daten als statistische Anhaltspunkte zur Gewichtung für das Auftreten des plötzlichen Herztodes rücken zunehmend in den Mittelpunkt.«

Auch Christopher Scholl vom Fraunhofer IIS äußert sich begeistert dazu: »Das breite Spektrum an Daten und Standortfaktoren eröffnet spannende mathematische Modellierungsmöglichkeiten für die Verteilung verfügbarer AEDs und die Bestimmung des Bedarfs an AEDs für eine flächendeckende Verfügbarkeit.«

Christopher Scholl

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