Smarte Serviceplattform für elektrische Antriebssysteme

Industrie 4.0 in der Antriebstechnik

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung in der Industrie 4.0 ist die Nachfrage nach intelligenten, effizienten, kostengünstigen und umweltverträglichen Antriebslösungen rapide gestiegen. Vor allem Daten werden zunehmend als Instrument genutzt, um einen kundenspezifischen und zielgruppengerechten Nutzen sowie ökologische und soziale Mehrwerte zu generieren. Digital gesteuerte und vernetzte elektrische Antriebe sind durch die Verbindung von Kommunikation und Aktorik zur zentralen Schnittstelle zwischen der realen und digitalen Welt geworden und sind in vielen industriellen Anwendungen wie dem Maschinenbau, der Produktion und der Logistik nahezu unersetzbar.

Bislang ist es jedoch nur durch hohen Aufwand möglich, Antriebe unterschiedlicher Hersteller sinnvoll datentechnisch zu kombinieren und ihr gesamtes Nutzenpotenzial zu entfalten. Durch die Etablierung eines interoperablen Zugriffs auf Informationen und Funktionen für Antriebshersteller, Maschinen- und Anlagenhersteller sowie Maschinen- und Anlagenbetreiber lassen sich neue zukunftsweisende Use Cases entwickeln und bisherige Geschäftsmodelle revolutionieren.
Für die Verwirklichung der Vision eines »Antriebs 4.0« ist neben der technischen bzw. datenbasierten Evolution auch die Etablierung eines angemessenen digitalen Ökosystems erforderlich. Daher stellt die Integration verschiedener Akteure und Objekte innerhalb des Ökosystems einen wichtigen Treiber für eine ganzheitliche Digitalisierung der Produktion und die Schaffung neuer Wertschöpfungspotenziale durch zukunftsweisende datenbasierte Services dar.  

Dazu wird ein föderierter Datenraum Antrieb 4.0 erarbeitet, der neben einer zentralen Komponente (Einstiegspunkt für Nutzer, Daten- und Servicekatalog) durch vollständig dezentrale Datenhaltung beim jeweiligen Data Owner (Betreiber, Anlagen- und Antriebshersteller) in Verbindung mit feingranularer Rechteverwaltung die Datenhoheit der Beteiligten bereits ab der Konzeptionsphase des Datenraums mitgedacht. Die Daten selbst verbleiben bei den jeweiligen Beteiligten. Im Datenraum werden lediglich Metadaten und Links zum eigentlichen Datensatz frei ausgetauscht; die Zugriffsberechtigungen werden dezentral verwaltet. Im Projekt werden dabei antriebsseitig dynamische Daten und (statische) Typverwaltungsschalen (englisch: Asset Administration Shell, AAS) der lokalen Antriebe, Verwaltungsschalen der Anlagenbauer und die der Antriebshersteller mit einer gemeinsamen Semantik beschrieben und in den Datenraum eingebunden, sodass herstellerunabhängige Services sie nutzen können. Ein solcher Service kann beispielsweise ein Tool zur energieeffizienten Auslegung von Antrieben sein.

Smarte Services für industrielle elektrische Antriebssysteme …

Im Rahmen des Verbundforschungsprojekts »Antrieb 4.0« arbeiten das Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen (IIS) und das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen und Bauelementetechnologie (IISB) zusammen mit der TU Darmstadt und zahlreichen assoziierten Partner aus der Industrie daran, innovative Konzepte zu entwickeln, um die ökonomischen und ökologischen Mehrwerte von Antrieben der Zukunft für diverse Akteursgruppen erlebbar zu machen.

Auf vorwettbewerblicher Basis werden hierfür herstellerneutrale Lösungen für gleichgelagerte, unternehmensübergreifende Herausforderungen erarbeitet und die Verfügbarkeit, Transparenz und Interoperabilität sowie der Zugang zu Daten gesteigert. Zur Erreichung dieser Zielsetzung wird ein Gaia-X-kompatibler Datenraum geschaffen, technische Rahmenbedingungen für die notwendige Kommunikation bestimmt und der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur gezielten Datenanalyse erprobt. Die entstehende digitale Service- und Marktplattform, auf welcher smarte Services für industrielle elektrische Antriebssysteme verfügbar gemacht werden, ermöglicht herstellerübergreifende Lösungen und eine interaktive, co-kreative Wertschöpfung zwischen Marktteilnehmern im industriellen Ökosystem.

… durch einen Reallabor-Demonstrator erlebbar machen

Zusammen mit mehreren Industrieunternehmen werden Use Cases entwickelt, um die ökonomischen und ökologischen Mehrwerte des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks aufzuzeigen. Mithilfe von generalisierten Data Analytics- und KI-Methoden wird ein herstellerunabhängiger Einsatz und eine Übertragung von gelernten Modellen zwischen den Antriebssystemen erfolgen. Unterstützt wird dies durch eine standardisierte Vernetzung innerhalb der Antriebssysteme mit einheitlicher Datenübertragungstechnik und Sprache, die mit entsprechenden Sicherheitskonzepten von der dezentralen Steuerung über den Antrieb bis hin zum Sensor erfolgt.

Die Realisierung eines Reallabor-Demonstrators mit horizontaler und vertikaler Vernetzung und einem modularen Hardwarekonzept, welches an verschiedenen Standorten kooperativ betrieben wird, ermöglicht es, die mehrwertstiftenden Use Cases und smarten Services erlebbar zu machen. Der Demonstrator zeigt Wege einer vertikalen Vernetzung vom Feld über die Edge in die Cloud mit Zugriffsberechtigungen für die verschiedenen Akteure auf. Zunächst kann sich der Anlagenbetreiber an der Edge einloggen und den Motor über den OPC UA-Client eines bestimmten Antriebssystems zu einem gewünschten Zeitpunkt starten und stoppen. In dieser Zeit werden wichtige Daten des Motors im Feld generiert und ausschließlich lokal in der Datenbank der Edge gespeichert. Dort verbleiben die Daten auch im weiteren Verlauf, und der Anlagenbetreiber behält zu jedem Zeitpunkt die Datensouveränität. Darauf aufbauend, können die generierten Daten nun über den Datenraum »Antrieb 4.0« weiteren berechtigten Instanzen für eine definierte Nutzungsart- und -dauer zur Verfügung gestellt werden. Mit einer entsprechenden Authentifizierung an der Cloud kann sich beispielsweise der Antriebshersteller im Datenraum einloggen. Dort erhält er Zugriff auf die Daten der in der Anlage verbauten Antriebe und Komponenten, die während des Betriebs gesammelt wurden. Somit kann er Rückschlüsse auf den Energieverbrauch, die Energieeffizienz und mögliche Optimierungspotenziale aus der Anlage ziehen. Der physische Demonstrator zeigt Antriebssysteme verschiedener Hersteller, die standortübergreifend miteinander kommunizieren können.

Unsere Experten

Priv.-Doz. Dr. Tassilo Schuster

Im Rahmen des Projekts wird eine modulare Service- & Marktplattform für smarte Produkt-Service-Systeme rund um den Antrieb 4.0 konzipiert, auf der wertschöpfungsstufenübergreifende Services, wie eine automatisierte Inbetriebnahme und Optimierung von Antrieben, angeboten und nachgefragt werden können. Fundament dieser Plattform bildet ein Gaia-X-kompatibler Datenraum mit angemessener Data Governance wodurch die Datensouveränität der beteiligten Akteure im Ökosystem gewährleistet werden kann. Solche Service- & Marktplattformen auf denen zukunftsweisende Services mit ökonomischem und ökologischem Mehrwert gehandelt werden, haben das Potenzial die Branche der Antriebshersteller radikal zu verändern.

Priv.-Doz. Dr. Tassilo Schuster, Abteilung Innovation & Transformation des Fraunhofer IIS

Dr. Jan Hofmann

Wir freuen uns sehr, im Projekt unsere Vorstellungen der Integration von Daten aus dem Bereich Industrie 4.0 / Industrial Internet of Things in einem gemeinsam nutzbaren Datenraum in der Praxis erproben zu können. Die hier zu bewältigenden Herausforderungen werden zukünftig in vielen Bereichen des unternehmensübergreifenden Datenaustauschs bzw. der übergreifenden Datennutzung zu lösen sein. Die Lösungskomponenten können letztlich auch als Blaupause für den Transfer in vergleichbare Fragestellungen anderer Branchen und Anwendungsumgebungen dienen.

Dr. Jan Hofmann, Abteilung Data Spaces & IoT Solutions des Fraunhofer IIS

Dr.-Ing. Martin Schellenberger

Die Verknüpfung von datengetriebener Analyse und Methoden der künstlichen Intelligenz mit Anwendungsfeldern der elektrischen Antriebe ist ein spannendes Themenfeld. Mit dem Reallabor Antrieb 4.0 werden verschiedene Lösungsbestandteile entwickelt und nutzerorientiert auf einer Serviceplattform zusammengeführt – beispielsweise für eine automatisierte Inbetriebnahme und Optimierung von Antriebssystemen.

Dr.-Ing. Martin Schellenberger, verantwortlich für Data-Analytics am Fraunhofer IISB

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